KUNSTVEREIN KIRCHZARTEN e.V.
 

Ausstellungsnummer: 277
Künstler: Andreas ZAGLER, Junge Kunst XXII - Luisa, Otto, Rebekka - Malerei

Die Behauptung einer singulären, objektiv darstellbaren Realitätsexistenz stellt auch Andreas Zagler mit seinem OEuvre in Frage. Platon bereits hatte dargelegt, dass Wirklichkeit eine bloße Erscheinung ist: Grundlage aller Wahrheit bleibe die Idee, welche hinter der Sichtbarkeit verborgen ist. Immanuel Kant sprach demgemäß von unserer „Vorstellung einer Wirklichkeit“. Andrea Zagler provoziert unseren Glauben an die Faktizität von Tatsächlichkeit bereits auf den ersten Blick: Viele seiner Werke scheinen aus mehreren Ebenen zu bestehen – sind diese bildimmanent oder evozieren Motivüberlagerungen die omnipräsenten Schattenwürfe? Als seien sechs Striche noch feuchter Farbe einem Glasträger überantwortet worden, welcher einer grauen Mauer vorgelagert wurde, der die Schatten der Farbstriche empfängt: Mit rein malerischen Mitteln erschafft der Künstler die Illusion einer Räumlichkeit, deren Tiefenwirkung ein trompe l’oeil ist, das der Abstraktion der Striche im Schattenwurf Gegenständlichkeit zu verleihen scheint, als mache erst dieser sie real. Folgte die Form des Schattens in diesem Werk noch den Strichen, die ihn auslösten, differiert selbige bei den hellen und dunklen Punkten, die ein roter Bildgrund birgt, der wiederum selbst einem landschaftsähnlichen Hintergrund vorgelagert wurde. Andreas Zagler thematisiert hiermit sein zentrales Anliegen: Das auf rotem Grund gemalte Abbild einer Abstraktion wird durch Verortung in der Landschaft zu einer Metapher dafür, dass die Trennung von Wirklichkeit und Kunst Utopie ist. So wie unsere heutige Rezeption von Wirklichkeit künstlich sein kann, so kann auch unsere Rezeption von Kunst wirklich sein. Angesichts der unendlichen Möglichkeiten digitaler Bildveränderung und der unendlichen Möglichkeiten variierender Blickwinkel auf ein Geschehen, ist unsere gegenwärtige Perzeption eines Bildes nur eine Option von Realität, ebenso wie Kunst eine Option der Wirklichkeit offeriert. Der Junge, der einen weißen Hasen in Händen hält, veranschaulicht dies vielleicht am eindringlichsten: Andreas Zagler lässt seine konkrete Erscheinung verblassen hinter scheinbarer Vergilbung und Verknitterung, überlagert sein Abbild mit Strichen und Tupfen pastoser Farbe – als habe er die Realität einer tatsächlichen Existenz in Form von Knabe und Tier zuerst ins Bild geholt, um sie dann zu abstrahieren. Der Künstler weicht mit malerischen Mitteln die Grenzziehung zwischen Kunst und Leben auf. Xenia Fumbarev und Andreas Zagler verbildlichen somit, was Oskar Maria Graf als Kunst definierte: „Was ist denn Kunst? Sie ist die Zusammenfassung der ganzen Vielheit ewiger Wahrheit. Sie ist – auf die einfachste Formel gebracht – die Sichtbarmachung des Unsichtbaren hinter den Dingen!“

Dr. Sonja Lechner

anlässlich der Ausstellung „Meisterklasse“ in der Münchner Bank 2020

Ausstellungseröffnung: 13.09.2020, 11 - 13h. Der Künstler ist anwesend.